Archiv Naturschutz heute


Fisch und Mensch


Auswirkungen der Angelfischerei an Binnengewässern auf die Lebensräume unter Wasser.


von Margret Bunzel-Drüke und Matthias Scharf


Als die Neandertaler in grauer Vorzeit Fischen nachstellten, war der Anlass dazu für unsere Verwandten eindeutig: Mit Fischen als zusätzlicher Nahrungsquelle verschafften sie sich einen Vorteil im Kampf ums Überleben. Sie hätten sich damals sicher nicht träumen lassen, welche Ausmaße ihre ersten Angelversuche einmal annehmen würden.

Heute werden unsere Binnengewässer fast ausnahmslos beangelt, und eine ganze Industrie lebt davon, die Petrijünger mit dem jeweils besten und neuesten Gerät zu versorgen. Das Hobby hat kaum noch etwas mit dem ursprünglichen Ziel, dem Nahrungserwerb, zu tun. Viele Angler nennen als ihre wesentlichen Beweggründe Naturgenuss oder Steuerung der Fischbestände, denn ihren Spaß an der Jagd nach Fischen – oft wohl das wichtigste Motiv – dürfen sie nicht zugeben. Das Töten von Wirbeltieren ist nämlich laut Tierschutzgesetz nur mit "vernünftigem Grund" erlaubt. Deshalb lassen sich die meisten Angler auch nicht mehr gern als "Sportfischer", sondern als "Angelfischer" bezeichnen.


Tierschutz und Naturschutz

 
Während das Angeln einst als Nahrungserwerb selbstverständlich und sinnvoll war, mehren sich in letzter Zeit die kritischen Stimmen. Es ist nur logisch, dass die Diskussion über ein Hobby, das mit dem Töten von Tieren einhergeht, immer wieder aufkommt. So sind gerade jene Fischarten, die sich an der Angel besonders heftig wehren, das bevorzugte Ziel vieler Angler. Wenn dann auch noch Wettfischen stattfinden, lebende Köderfische mit Haken im Rücken eingesetzt oder Tiere in Setzkeschern gehältert werden, ist der Vorwurf der Tierquälerei naheliegend. Letztendlich können diese Auseinandersetzungen über die ethischen Grundlagen des Angelns aber nicht entschieden werden, da sich Schmerzempfinden und Leidensfähigkeit von Fischen nur schwer untersuchen und vor Gericht kaum beweisen lassen.

Will man das Angeln aus der Sicht des Naturschutzes bewerten, führt es nicht weit, das Schicksal einzelner Fische am Angelhaken zu beleuchten. Statt mit dem Individuum wollen wir uns deshalb im folgenden mit Populationen, Arten und Lebensgemeinschaften beschäftigen.


Entnahme von Fischen

 
Primär wirkt sich das Angeln natürlich durch Fang und Entnahme von Fischen aus. Wie groß der Einfluss auf den Fischbestand größerer Gewässer ist, lässt sich allerdings auch mit modernen Methoden nur schwer abzuschätzen. Überfischung von Beständen, wie sie von der Ausbeutung des Herings in der Nordsee oder von der einstigen Flussfischerei auf Lachs und Stör bekannt ist, kann auch mit der Angel vorkommen. Gesetzlich festgelegte Schonzeiten und Mindestmaße sollen dies verhindern. Im allgemeinen geht man davon aus, dass die Angelfischerei unter normalen Umständen (kein Wettfischen, kein Angelzirkus oder ähnliches) ein Faktor ist, der die Größe der meisten sich selbst reproduzierenden Fischbestände nur unwesentlich beeinträchtigt.

Angler argumentieren oft, dass die Entnahme von Fischen nicht nur unbedenklich ist, sondern dass viele Fischbestände sogar eine Befischung brauchen. Begründet wird dies mit der Gefahr der sogenannten "Verbuttung". Arten wie Rotauge (Plötze) oder Flussbarsch können in bestimmten Lebensräumen individuenreiche Bestände bilden, wobei die einzelnen Fische kleinwüchsig sind. Die Tiere machen sich untereinander Konkurrenz, wachsen dadurch langsam und werden schon mit relativ geringer Körpergröße geschlechtsreif. Durch Beangelung will man in so einem Fall die Anzahl der Fische verringern und damit die Durchschnittsgröße der Tiere anheben. Inwiefern den Fischen damit geholfen sein soll, bleibt unklar, da die Körperlänge der meisten Fischarten in Anpassung an den Lebensraum natürlich sehr unterschiedlich sein kann. Es ist absolut willkürlich, durch Beangelung oder Besatz mit Raubfischen die Bestände in Richtung größerer Individuen zu lenken, denn die Fische haben eine derartige Hilfe nicht nötig. Die Gefahr der Verbuttung wird oft als Argument für die Notwendigkeit vorgebracht, auch in Naturschutzgebieten das Angeln zu erlauben.


Verfolgung von "Fischfeinden"

 
Wer Fische fangen will, ist auf die Konkurrenz oft nicht gut zu sprechen. Daher verwundert es nicht, dass Fischzüchter, Haupterwerbsfischer und Angler einst "Fischfeinde" von der Wasserspitzmaus bis zum Seeadler verbissen verfolgten. So hat man Fischadler und Fischotter in den alten Bundesländern nahezu ausgerottet. Bis vor einigen Jahren wurden Bäche noch "entschuppt", also von vermeintlichen Laichräubern wie Groppe (Mühlkoppe) und Quappe (Rutte) durch Elektrobefischung befreit, um den "Edelfisch" Bachforelle zu fördern. Zum Schutz der "guten" Fische, also der Angelfische, wünschen viele Angler auch heute noch, bestimmte fischfressende Tiere dezimieren zu dürfen. Nachdem man mittlerweile die sogenannten Laichräuber unter den Fischen weitgehend in Ruhe lässt, den Jungfische fressenden Eisvogel sympathisch findet und sich sogar an den Graureiher mehr oder weniger gewöhnt hat, taucht als neuer und daher noch gefährlicherer Fischfeind der Kormoran auf, passenderweise schwarz wie das Böse.


Fischbesatz

 
Den stärksten Einfluss auf die Fischfauna übt der moderne Angelsport durch das Aussetzen von Fischen aus. "Ohne uns gäbe es in den meisten Bächen und Flüssen keine Fische mehr, wir haben die Bestände erst aufgebaut" wird immer wieder gesagt. Untersuchungen zeigen jedoch, dass Besatzmaßnahmen oft unnötig sind oder den fischereilichen Ertrag sogar mindern können. Im Gegensatz zur Jagd verstehen die meisten Angler ihr Hobby aber nicht als Nutzung eines natürlichen Überschusses, sondern – eher der Landwirtschaft vergleichbar – als ein Säen und Ernten.

Eine ganze Reihe bekannter Besatzfische wurde erst durch den Menschen in Deutschland eingeführt. Bachsaibling, Graskarpfen, Silberkarpfen und Giebel (Goldfisch) würden bei uns nicht natürlich vorkommen. Andere Arten wie Zander, Wels und Aal haben dank menschlicher Nachhilfe ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet wesentlich vergrößert. Solche Eingriffe bleiben nicht ohne Auswirkungen. Der asiatische Giebel steht im Verdacht, den Rückgang der europäischen Karausche zu beschleunigen, und die bedrohte Quappe leidet zum Beispiel im Donaueinzugsgebiet unter dem Besatz mit Aalen.

Einer der beliebtesten Angelfische, die Regenbogenforelle, ist ein künstliches Kreuzungsprodukt aus mehreren amerikanischen Forellenformen. Mit diesem Fisch wurden einige in Europa bis dahin unbekannte Fischkrankheiten importiert. Regenbogenforellen vermehren sich nur ausnahmsweise in unseren Gewässern; das Einsetzen und Wiederherausangeln dient also allein dem Lustgewinn der Angler. Die Bestände von Fischen und Kleintieren können durch den oft massiven Besatz mit Regenbogenforellen stark verringert werden. Mittlerweile wenden sich einsichtige Angler gegen das immer noch erlaubte Aussetzen von Regenbogenforellen.

Wo die Wildform des Karpfens in Deutschland ursprünglich heimisch war, ist unklar. Sicher ist aber, dass sie nicht viel mit den heute gern eingesetzten Zuchtformen Spiegel- und Lederkarpfen zu tun hat. Den Zuchtformen wurden ein hoher fleischiger Rücken mit verkürztem Rückgrat an- und die Schuppen weggezüchtet. Sie gleichen der heute selten gewordenen, schlanken Wildform etwa so wie ein Hausschwein einem Wildschwein. In dicht mit Karpfen besetzten Teichen und Altarmen wird fast der gesamte Amphibiennachwuchs mit Ausnahme der offenbar schlecht schmeckenden Erdkrötenkaulquappen gefressen. Auch Kleinfische und wirbellose Tiere wie Libellen sind gefährdet.

In vielen Gewässern leben ohne Besatzmaßnahmen zu wenige oder gar keine attraktiven Angelfische; entweder von Natur aus oder weil die Lebensräume durch Verschmutzung und Ausbau geschädigt sind. Aber die Zahl der Angler wächst immer weiter. Also setzt man die gewünschten Fische aus, alle Jahre wieder. Oft richten sich Menge und Art des Besatzes weniger nach der Tragkraft des Lebensraumes, sondern eher nach den Vorlieben der Angelvereine. Ein naturnaher, sich selbst erhaltender Fischbestand lässt sich so nicht aufbauen.

Der Hecht beispielsweise, der zum Laichen überschwemmte Auwälder, überflutete Wiesen oder dichte Wasserpflanzenbestände benötigt, kann sich in kanalartig ausgebauten Flüssen nicht vermehren. Anstatt nun den Lebensraum zu verbessern, werden alljährlich junge Hechte aus Zuchtbetrieben ausgesetzt. Sie wachsen heran, werden herausgeangelt und so weiter. So dienen viele unserer Gewässer nur dazu, Angelfische zu mästen.

Aus Artenschutzgründen sind Anglervereine mittlerweile dazu übergegangen, nicht nur fischereilich interessante Arten, sondern auch Kleinfische wie Moderlieschen, Schmerle oder Elritze auszusetzen. Wissenschaftler warnen eindringlich vor dieser Praxis. Die Bestände der Kleinfischarten wurden bislang vom Menschen kaum künstlich verändert, so dass die in verschiedenen Fluss-Systemen lebenden Fische noch über spezielle Anpassungen an den jeweiligen Lebensraum verfügen. Durch Vermischung mit Besatzfischen gehen solche Anpassungen verloren, und die neuen Fische kommen mit ihrer Umwelt schlechter zurecht als die angestammten Formen.

Besatzmaßnahmen mit Kleinfischen verlaufen vielfach planlos und undokumentiert. Auch Naturschützer sind mitunter beteiligt, wenn sie Kleinfische wiederansiedeln wollen oder Nahrungsteiche für Wasservögel einrichten. Wenn heute bei einer Fischbestandsaufnahme etwa der bedrohte Bitterling gefunden wird, ist es fast unmöglich festzustellen, ob es sich um Tiere aus einer angestammten Population handelt oder um asiatische Besatzfische aus dem nächsten Fischteich oder Zoogeschäft.

Sinnvoll können Besatzmaßnahmen zum Beispiel nach Fischsterben in Gewässern sein, die natürlicherweise nur schwer wiederbesiedelt werden könnten. Solche Maßnahmen sollten gut vorbereitet und wissenschaftlich begleitet werden.


Verbesserung der Angelmöglichkeiten

 
Neben den direkten Einwirkungen auf die Fischbestände gibt es noch die Möglichkeit, die Fangwahrscheinlichkeit zu steigern, etwa durch den Bau von Angelstegen oder durch Entkrautungen, die ein Hängen bleiben der Angelhaken in den Wasserpflanzenbeständen verhindern sollen. Beliebt ist auch das Anfüttern. Zwar haben sich die Angler hierbei in den letzten Jahren etwas eingeschränkt, doch finden sich besonders an ortsnahen Teichen und Seen immer noch Angelplätze, an denen größere Mengen Brot, Mais und aufwendig hergestellte Leckerbissen ins Wasser gekippt werden, um Karpfen anzulocken. Anspruchsvollere Arten werden aus den Bereichen mit faulendem Futter vertrieben. Vor allem in kleineren Gewässern gefährdet eine solche Überdüngung die gesamte Lebensgemeinschaft.


Verbesserung der Lebensräume

 
Für die meisten Naturschützer ist es heute selbstverständlich, dass bedrohten Arten am besten durch Verbesserung oder Wiederherstellung ihrer Lebensräume zu helfen ist – sei es durch Anpflanzung von Hecken, Wiedervernässung von Wiesen oder Anlegen von Tümpeln. Bei den Anglern dagegen sind Biotopgestaltungsmaßnahmen für Fische bei weitem nicht so populär wie direkte Eingriffe in Tierbestände, also den Besatz mit erwünschten Arten und die Reduzierung von unerwünschten. Häufig erschöpft sich die fischereiliche Lebensraumverbesserung in Müllsammelaktionen, denen stets auch Fischverstecke zum Opfer fallen.

Zum Glück gibt es Angler, die sich für echte Schutzmaßnahmen wie Gewässerrenaturierung oder Umbau von Wehren tatkräftig einsetzen – leider aber noch viel zu wenige. Man täte den Anglern zudem Unrecht, würde man nicht ihre Anstrengungen für die Verbesserung der Wassergüte würdigen. Auf diesem Gebiet arbeiten einige Angelvereine bereits seit Jahrzehnten mit großem Erfolg.

Das moderne Angeln mit all seinen Begleiterscheinungen stellt insgesamt aber einen erheblichen Eingriff in die Natur unter Wasser dar. Angler versuchen insbesondere durch Besatzmaßnahmen, die Fischbestände nach ihren Wünschen zu manipulieren. Welche Folgen diese Manipulationen haben, ist schwer zu beobachten und wissenschaftlich erst unzureichend erforscht. Das Wort, der Naturschutz höre am Wasserspiegel auf, hat durchaus seine Berechtigung. Es ließe sich sogar dahingehend ergänzen, dass unter Wasser die natürliche Entwicklung von Tierpopulationen nur geringe Chancen hat.

Letztendlich gäbe es aus Sicht des Naturschutzes gegen eine vernünftige, naturnahe Angelfischerei keine grundlegenden Einwände. Wenn die Zahl der Angler begrenzt wäre, wenn genügend Gewässer ungenutzt blieben und wenn sich die Angler darauf beschränken würden, nur einen Teil des natürlichen Zuwachses der Fischbestände abzuschöpfen, dann wären Konflikte unnötig. Leider sieht die Realität anders aus.


aus: Naturschutz heute, Ausgabe 4/1994, S. 35-37