1996
Sachlage
Der Wasserverband Eifel-Rur plant zur Gewährleistung der Hochwassersicherheit der Ortschaften unterhalb von Herzogenrath die Erstellung eines Hochwasserrückhaltebeckens mit einem Fassungsvermögen
von 780.000 cbm. Durch die Errichtung eines Dammbauwerkes von ca. 650 m Länge und einer Höhe von > 5 m quer durch das Wurmtal bei Rimburg soll diese Speicherkapazität erreicht werden.
Der Naturschutzbund Deutschland, Kreisverband Aachen-Land e.V. lehnt in seiner Stellungnahme den Bau des Hochwasserrückhaltebeckens (HRB) ab und fordert:
1) die naturnahe Renaturierung der Wurm und ihrer Nebenbäche
2) die Bereitstellung von Retentionsflächen
3) umfangreiche Maßnahmen zur Bodenentsiegelung
Begründung der Ablehnung
Ökologische Beeinträchtigung des Gebietes
Der gesamte Naturraum wird im Bereich des geplanten HRB durch verschiedene Maßnahmen sehr stark verändert. Hierunter fallen vor allem folgende geplante Maßnahmen:
Die geplante "Mäanderentlastung" des noch vorhandenen naturnahen Mäanders nördlich des Nato-Depots führt zu einer Zerstörung des Biotops, da die für den Erhalt der Steilwände notwendigen
Wassermassen nach der geplanten Reduzierung der Durchflussmenge nicht mehr ankommen. Durch eine Steinschüttung an einer der Steilwände soll der Durchbruch des Mäanders verhindert werden (S. 26
des Antrags nach § 31 WHG). Ausdrücklich wird dieses Gelände im landschaftspflegerischen Begleitplan als "Tabuzone" bezeichnet, in die nicht eingegriffen werden dürfte. Diese Maßnahme stellt
jedoch einen nachhaltigen Eingriff in das Ökosystem dar, da die natürliche Entwicklung unterdrückt wird und auf lange Sicht zur Zerstörung des Biotops führt. Dies ist insbesondere im Hinblick auf
die hier vorhandene Uferschwalbenkolonie (die einzige an der Wurm im Kreisgebiet) und die Brutstellen für den Eisvogel, der ebenfalls auf Steilwände angewiesen ist, absolut inakzeptabel.
Das Wurmtal bietet nicht nur einheimischen Vögeln Brutplätze, sondern auch Durchzüglern und Wintergästen Rastplätze und Nahrung. Im Planungsbereich des HRB befindet sich ein alter Graben, der
nach neueren Beobachtungen von durchziehenden Vögeln als Rastplatz intensiv genutzt wird. Auf ihrem Rückflug in ihre Brutgebiete wurden an diesem Graben u.a. die extrem selten gewordenen und in
ihrem Bestand gefährdeten Vogelarten wie Blaukehlchen, Schwarzkehlchen, Rohrammern, Bekassinen, Waldwasserläufer und Rotmilane beobachtet. Neben weiteren Durchzüglern wie Lerchen, Misteldrosseln
und Kiebitzen hielten sich in diesem Gebiet auch zahlreiche Standvögel auf. Fischfressende Vogelarten wie Zwerg-, Haubentaucher, Zwergsäger, Kormoran, Eisvogel und Graureiher finden hier
Überwinterungsmöglichkeiten, wenn umliegende Teiche und Seen zugefroren sind. Durch die geplanten Baumaßnahmen wird auch das Brutrevier der hier vorkommenden Nachtigall beeinträchtigt.
Im Bereich des eigentlichen Rückhaltebeckens wird wieder nur ein künstliches Gewässer angelegt, natürliche Entwicklung und Eigendynamik und die Selbstreinigung des Gewässers werden von vornherein
unterbunden. Die eigendynamische Gestaltung durch das angreifende Wasser (Erosion und Wiederablagerung des Bodens) sind jedoch aus Sicht des Naturschutzes das Hauptziel bei der Rückführung eines
naturfern ausgeprägten Gewässers in einen naturnahen Zustand. Auskolkungen werden verhindert. Die durch Erosion gefährdeten "Prallhänge" werden durch Steinschüttungen "geschützt". Künstliche
Bauwerke wie Sohlgleiten und Tosbecken sollen ebenfalls eingebaut werden. Es sollen sowohl die Sohle als auch die Ufer durch Beton, Pflasterung, Steinstickung und Schüttung von Wasserbausteinen
befestigt werden, so dass in diesen Bereichen keine natürliche Entwicklung mehr stattfinden kann. Gegenüber der jetzigen Situation stellen die Maßnahmen keine Verbesserung, sondern eine
Verschlechterung dar.
Die Entwicklung eines echten Auwaldes ist nach den vorliegenden Planungen nicht möglich. Nach den vorliegenden Unterlagen wäre es in den letzten 15 Jahren nur dreimal zur Benetzung des
Hochwasserrückhaltebeckens gekommen. Unter solchen Bedingungen ist die Entwicklung eines Auwaldes nicht möglich, auch andere Pflanzengesellschaften wie z.B. Feuchtwiesen werden sich bei derart
unregelmäßigen Überschwemmungen nicht entwickeln können. Die Bedingungen für eine Sukzession zum Auwald oder zu einem anderen Waldtyp auf staufeuchtem Standort werden in der vorliegenden UVP
nicht geprüft!
Durch den Bau des Dammes und des Ablassbauwerks wird die Chance einer echten Renaturierung und einer Entfesselung der Wurm in einem weiten Bereich verhindert. Der Fluss wird in ein Korsett
gezwängt, aus dem er ohne die Entfernung des Dammbauwerkes nicht wieder heraus kommt.
Durch das Dammbauwerk quer durch das Tal wird die zur Zeit (z.B. durch das NATO-Depot) bereits eingeschränkte, aber noch vorhandene Biotopverbundfunktion in einem nicht vertretbaren Maße
behindert. Dasselbe gilt für den Kaltluftabfluss durch das Tal, der ebenfalls fast vollständig unterbunden wird.
Das Regenrückhaltebecken verhindert Überflutungen des Wurmtales unterhalb Rimburgs nicht. Bei Aufstauung nach den sogenannten "50- oder 100-jährigen Ereignissen" sollen aus dem HRB 30,5 cbm/sec
Wasser ausfließen. Das Kastenprofil der Wurm unterhalb Rimburgs kann nach Angaben des Planers aber nur 19 bis 22 cbm/sec aufnehmen. Bei ungewöhnlichen Regenfällen wird also das Wurmtal zwischen
Rimburg und Geilenkirchen auch nach dem Dammbau überflutet werden. Daraus werden erneut Schutzmaßnahmen gegen Überschwemmungsgefahren erforderlich. Eine langfristig befriedigende und naturnahe
Lösung des Problems kann also nur in einer Renaturierung des Wurmverlaufes mit der Anlage vieler kleiner Retentionsbereiche bestehen.
Aufzeigen von Alternativen
1. | Die natürlichen Überschwemmungsbereiche der Wurm (flache Tallagen) beginnen im Planbereich vor Rimburg, setzen sich aber von hier fort und sind vor Geilenkirchen (zwischen Geilenkirchen und Zweibrüggen; zwischen Zweibrüggen und Marienberg) auf großer Fläche unbebaut. Ein Anheben der Fluss-Sohle würde zur Benetzung dieser Flächen und damit zur Nutzung des Retentionsvolumens führen. Hierzu sind keine großen Eingriffe in das Flussbett erforderlich. Weil es sich bei den ausgelösten Überschwemmungen um die natürlichen Ereignisse im Auebereich handelt, ist ein Ankauf der betroffenen Grünlandbereich und Äcker nicht erforderlich. |
2. | Wie groß sind die Retentionsvolumina, die durch einfaches Anheben der Fluss-Sohle im Planungsgebiet und in allen unbebauten Auebereichen oberhalb genutzt werden könnten? |
3. | Am 1. Januar 1996 traten neue Vorschriften zur Bodenentsiegelung und Wasserhaltung in den Kläranlagen in Kraft, durch die eine Verminderung der Abflussmengen erreicht wird. Die Entsiegelung bebauter Gebiete sowie die neue Verpflichtung zur Abführung des Regenwassers bei Neubauten auf dem eigenen Grundstück (§ 51a Landeswassergesetz NRW) lassen ein einfaches Hochrechnen der zufließenden Wassermengen aus veralteten Daten nicht zu. |
Landschaftsplanerische Vorgaben
Das Schutzgebiet im südlichen Teil des geplanten RHB Rimburg, das durch ordnungsbehördliche Verordnung zur einstweiligen Sicherstellung des geplanten Naturschutzgebietes "Wurmtal nördlich
Herzogenrath" (29.5.1992) ausgewiesen wurde, sowie das Landschaftsschutzgebiet 2.2-2 "Wurmtal" (Landschaftsplan II - Baesweiler-Alsdorf-Merkstein) werden sowohl erheblich als auch nachhaltig
beeinträchtigt. In dem einstweilig sichergestellten Bereich finden sich Biotope, die gemäß § 20c des Bundesnaturschutzgesetzes und § 62 Landschaftsgesetz NRW geschützt sind. Hiernach sind
Maßnahmen, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung der Biotope führen können, unzulässig. Der ökologische Fachbeitrag der LÖLF zur Überarbeitung des
Landschaftsplanes II schlägt für das gesamte Gebiet, in dem das HRB Rimburg auf deutscher Seite entstehen soll, die Ausweisung als Naturschutzgebiet vor.
Der Grenzüberschreitenden Ökologische Basisplan (GÖB) stellt in einer Detailplanung den Bereich des HRB Rimburg dar. Die hier aufgezeigten "alternativen Möglichkeiten zur Schaffung von
Retentionsflächen" sind in keiner Weise in die Planung des HRB Rimburg eingegangen. Der GÖB lehnt den Bau eines künstlichen HRB ab und fordert die Schaffung und Reaktivierung natürlicher
Retentionsflächen.
Annähern dieselbe Fachmeinung ergibt sich aus der "Vergleichenden und bewertenden Untersuchung zur Umweltverträglichkeit der vier Lösungsmöglichkeiten zum Hochwasserschutz an der Wurm"
(Arbeitsgemeinschaft Hallmann und Rohn, 1989), die durch den Wasserverband Obere Wurm in Auftrag gegeben wurde.
Das Naturschutzprogramm Aachener Revier stellt das Wurmtal mit seinen Seitentälern als besonders hervorzuhebendes Landschaftselement dar, denen mit ihren zum Teil noch naturnahen Bachabschnitten
eine zentrale Rolle für den Biotop- und Artenschutz zukommt. Erklärtes Ziel ist "die Sicherung und Optimierung der natürlichen Bachabschnitte von Wurm und Broichbach".
Das Umweltministerium fordert in verschiedenen Schriften, unter anderem in der Broschüre "Natur 2000 in NRW", die Erhaltung der Bachauen und die Renaturierung der Wasserläufe. "Gewässerauen
dürfen in Zukunft weder technisch verbaut noch in ihrer linienhaften Bedeutung unterbrochen werden." Weiter heißt es: "Fließgewässer sind die natürliche Grundlage zur Schaffung eines landesweiten
Biotopverbundes."
Aus allen ökologischen Gutachten lässt sich nur die Forderung nach einer Renaturierung des Gebietes und die Bereitstellung von Retentionsflächen ableiten.