Die sogenannte Euregionale 2008 sollte offiziell zum Ziel haben, die Region um Aachen und dem umgebenden Grenzland nach den Schäden, welche Bergbau und Begleitindustrie der Landschaft zugefügt haben, wieder lebenswerter zu machen. Bürger und Gruppierungen sollten dabei vorrangig Pläne entwickeln.
Tatsächlich wurde nach unserem Wissen kein einziges der von solchen Gruppen eingereichten Projekte verwirklicht, sondern stattdessen Vorschläge aus Politik, Kommunalverwaltungen und Interessensvertretungen von Wirtschaft und Industrie. Darunter erhielten sogar abstruse "Ideen" den Zuschlag und damit Fördermittel in Millionenhöhe, welche die Landschaft noch weiter in Mitleidenschaft zogen und daher später mit Recht vom Bund der Steuerzahler angeprangert wurden (siehe nachfolgendes Zitat!).
"02.03.2010
Skurrile Inszenierungen und Aussichtsplattformen verärgern die Steuerzahler.
Im Rahmen der EuRegionale 2008 sind rund um Würselen drei ehemalige Kalk- beziehungsweise Kohlehalden neu gestaltet worden, um sie für „Reiter und Spaziergänger erfahrbarer zu machen“. Wie jedoch überdimensionale Eier aus Granit oder Aussichtsplattformen, die einen Blick auf ein Mietshaus oder einen Supermarkt gewähren, eine aufgeforstete Halde erfahrbarer machen sollen, bleibt ein Geheimnis der Stadt. Bekannt ist: Stadt und das Land haben für diesen Unsinn viel Geld bezahlt.
Würselen. Sie sehen aus wie Dinosaurier-Eier und sind aus Granit. 18 Stück wurden auf der aufgeforsteten Halde Gouley bei Würselen verteilt. Die ehemalige Kohlehalde wurde zur
EuRegionale 2008 neu inszeniert, um „diesen Ort für Reiter und Spaziergänger erfahrbar zu machen.“ Zur Inszenierung gehören auch eine Aussichtsplattform und Sitzgelegenheiten, deren Gestaltung an
Papierfalter erinnert. Am Fuße der Halde Gouley wartet indes eine weitere Attraktion: die etwa zehn Meter hohen kohlesauren Kalkrückstände einer ehemaligen Sodafabrik, die 1929 ihre Produktion
eingestellt hat. Und auch hier braucht es plötzlich einen Aussichtssteg und ein Aussichtsfenster, um die kleine Kalkhalde zu bewundern. Insgesamt hat die Verschönerung der Halde rund 95.000 Euro
gekostet, zu 80 Prozent vom Land NRW und zu 20 Prozent von der Stadt Würselen bezahlt.
Wer die Treppe erklimmt, gelangt auf eine Aussichtsplattform mit Blick auf den Supermarkt sowie auf ein Mietshaus. Ob für diesen "Blick" eine Plattform wirklich nötig
war? Nahe der Haupteinkaufsstraße Würselens gibt es zwei weitere Kalkhalden, die brach lagen und nach Auskunft der Stadt als Barrieren wahrgenommen wurden. Diese wurden auf „städtebaulich
hochwertige Art erschlossen.“ Wer diesen Kalkhaldenpark besucht, reibt sich allerdings verwundert die Augen. Ein trister Platz, ein mit Beton eingefasstes Wasserbecken und zwei verwilderte, etwa
15 Meter hohe Halden, die man nun über Treppen erklimmen kann. Die steilen Hänge der kleineren Halde sind gesichert mit feinmaschigen Edelstahlnetzen und Geländern. Auf dem Rücken dieser Halde
befinden sich Aussichtsplattformen, die wahlweise einen Blick in die Fenster eines Mietshauses, auf einen Supermarkt, den tristen Platz oder ins Blättergestrüpp bieten. Sogar eine über den Rand
der Halde hinausragende Aussichtsplattform, ein so genannter Skywalk, ist vorhanden. Rund 1,75 Millionen Euro hat der Kalkhaldenpark gekostet. Wieder hat das Land 80 Prozent und die Stadt
Würselen 20 Prozent bezahlt. Weitere Kosten sind für die Beseitigung von Vandalismusschäden entstanden. Fünf Mal innerhalb eines Jahres wurde dem Kalkhaldenpark so übel mitgespielt, dass eine
Halde aus Sicherheitsgründen nicht mehr betreten werden durfte. Seilschraubenklemmen wurden entwendet und gelöst, Netze und Spanndrähte zerschnitten. Was die Reparaturen bislang gekostet haben,
kann die Stadt nicht sagen.
Doch ganz unabhängig davon, ob man Granit-Eier im Wald und die Ausblicke von den Kalkhalden schön findet oder nicht – das Dekorieren, Schmücken und Verzieren öffentlichen Grüns mit allerlei
Gedöns ist schlicht überflüssig und lässt den Blick für das Wesentliche und Wichtige vermissen. Ein attraktives Naherholungsgebiet, ein Wald, ein Park werden auch ohne Kunstobjekte und
Aussichtsplattformen besucht. Würden die öffentlichen Kassen überquellen – niemand würde sich aufregen. Doch derzeit wird diese Landschaftskosmetik mit Geld bezahlt, das nicht mehr vorhanden ist.
Erinnert sei daran, dass das Land Schulden von mehr als 122 Milliarden Euro hat und 2010 plant, mehr als sechs Milliarden Euro neue Schulden zu machen. Ein schwindelerregender Rekord. Auch
Würselen versinkt mit 104,3 Millionen Euro in den Schulden. Wie tief muss der Schuldensumpf eigentlich noch werden, damit Land und Kommunen zur Besinnung kommen?"
(Quelle: Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e.V. / www.steuerzahler-nrw.de)
Auch der NABU Aachen-Land hat sich am Wettbewerb beteiligt und ein ökologisch sinnvolles und zur damaligen Zeit hochaktuelles Projekt vorgeschlagen.
Das Ergebnis war aus heutiger Sicht zu erwarten: Abgelehnt!
Trotzdem veröffentlichen und dokumentieren wir auf diesem Weg das Anschreiben zu dem von unserem Gewässerexperten Hermann Schmaldienst entwickelten Konzept:
NABU-PRESSEDIENST des NABU Aachen-Land, Nr. 4/2002 vom 16.2.2002
NABU-Projektvorschlag zur Euregionale 2008
Im Rahmen der Euregionale 2008 schlägt der Naturschutzbund Deutschland, Kreisverband Aachen-Land die Renaturierung der Wurm zwischen dem NATO-Depot bei Eijgelshoven und Geilenkirchen vor.
Oberhalb der Kläranlage Worm bei Herzogenrath, mit Beginn der gemeinsamen deutsch-niederländischen Grenze, befindet sich die Wurm seit den 70er Jahren im ausgebauten Zustand. Unterhalb dieser Kläranlage bis zur Einmündung des Amstelbaches ist eine etwa drei Kilometer lange naturbelassene Fließstrecke in einer typischen Wildflusslandschaft. Dieser Bereich, in dem die Wurm die Ländergrenze bildet, wurde wegen seines hohen ökologischen Wertes von beiden Ländern grenzüberschreitend als Naturschutzgebiet ausgewiesen und wird nach wie vor gemeinsam von niederländischen und deutschen Naturschutzbehörden betreut.
Diese beispielhafte Zusammenarbeit zur Schaffung und Sicherung wertvoller Landschaftsräume sollte nach Auffassung des NABU Aachen-Land mit der Renaturierung der Wurm bis Geilenkirchen ihren Fortgang finden.
Besondere Bedeutung kommt hierbei nach Meinung des NABU-Gewässerexperten Hermann Schmaldienst der Umsetzung der Richtlinie 2000/60 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Wasserrahmenrichtlinie) zu.
Mit der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) werden für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft die zahlreichen sektoralen Gewässerschutzrichtlinien zu einem gemeinsamen ganzheitlichen Ansatz zusammengefasst. Zur Freude der Naturschutzverbände aller EU-Länder ist die Bürgerbeteiligung ein ganz wesentlicher Aspekt der WRRL. Artikel 14 der Richtlinie bestimmt, dass die Mitgliedstaaten "die aktive Beteiligung aller interessierten Stellen an der Umsetzung" der Richtlinie zu fördern haben. In dem vom NABU vorgeschlagenen Projekt können die Bürger beider Staaten in einem bisher nicht möglichen Dialog aktiv an der Gestaltung ihres Lebensraumes über die Grenze hinweg beteiligt werden.
Die Größe des Einzugsgebietes der Wurm beträgt etwa 350 qkm. Auf dieser Fläche leben mehr als 460.000 Einwohner. Dementsprechend ist die Wurm insbesondere ab Herzogenrath durch anthropogene Einflüsse in ihrer ökologischen Funktion stark beeinträchtigt. Die Renaturierung der Wurm zwischen dem NATO-Depot und Geilenkirchen würde in erheblichem Maße zur Wiederherstellung der natürlichen Dynamik von Fluss und Aue beitragen. Durch die in der Vergangenheit in diesem Gebiet vorgenommene Abtrennung von Fluss und Aue sind in den letzten Jahrzehnten viele auentypische Pflanzen und Tiere verschwunden. Zudem beeinträchtigt das derzeit naturferne Wasserregime die Selbstreinigungskraft der Wurm und erhöht das Hochwasserrisiko, weil das beengte Bett keine Möglichkeit zur Wasserrückhaltung bietet.
Der NABU weist besonders darauf hin, dass neben den vielschichtigen ökologischen Verbesserungen eine intakte Flusslandschaft natürlich auch den nötigen Erholungsraum bietet. Die Erweiterung nach Norden könnte zudem den momentanen enormen Erholungsdruck auf das restliche Wurm- und Broichbachtal minimieren helfen.
Mit der Renaturierung dieses Gewässerabschnittes würde die Region zum Ausdruck bringen, dass neben der ökonomischen Entwicklung auch die ökologische eine feste Größe des Denkens und Handelns ist.
Schmaldienst weist darauf hin, dass das vom NABU vorgeschlagene Vorhaben auch nach 2008 Relevanz haben wird, weil es sich um ein Projekt der nachhaltigen Art handelt. Umweltziel ist nach Artikel 4 Abs. 1 der WRRL der gute Zustand aller Gewässer der EU innerhalb von 15 Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie. Die Renaturierung der Wurm in dem genannten Bereich wird dazu ein erster, aber nicht unbedeutender Schritt sein.
Anmerkung der Redaktion
Im Vorschlagsformular nennt Hermann Schmaldienst folgende potentielle Partner: BUND, Wurmtal AG, Instituut voor Natuurbescherming, Vereniging voor Natuuren-Milieueducatie.