Der Kormoran - ein Fischereischädling?

von Wolfgang Voigt

Der Kormoran (Phalacrocorax carbo) galt um die Wende zum 20. Jahrhundert als größter Fischereischädling und wurde daher in Mittel- und Nordeuropa nahezu ausgerottet. Das hat ihn letztlich auf die „Rote Liste“ der vom Aussterben bedrohten Vogelarten gebracht. Nachdem der gesetzliche Schutz verbessert wurde, konnten die Bestände sich ab den 80er Jahren langsam wieder erholen. So gab es alleine in Deutschland 1992 wieder etwa 9.500 Brutpaare in vierzig Kolonien. Die Kormorane, die man im Aachener Raum bisher beobachten konnte, stammen nahezu ausschließlich aus niederländischen Brutbeständen, allerdings hat man seitens des NABU Aachen-Land auch Exemplare von den britischen Inseln nachgewiesen. Wie auch immer, jedenfalls nimmt ihre Zahl zur Brutzeit hin in diesem Gebiet deutlich ab.

Dennoch hört man auch in unserer Region immer häufiger den Ruf zur Bekämpfung des vermeintlichen Fischereischädlings. So befürchteten in einer Lokalzeit-Sendung des Westdeutschen Fernsehens vom 7. März 2003 Eifeler Angelsportler, dass Kormorane den Rursee leerfischen könnten, und forderten demzufolge drastische Maßnahmen gegen die Tiere. Begründet wurden diese Forderungen mit dem „enormen“ Nahrungsbedarf der Vögel.


Was sind hierzu die Fakten? Der tägliche Nahrungsbedarf eines Kormorans liegt bei ungefähr 500 Gramm. Dennoch besteht nach Untersuchungen der Bayerischen Landesanstalt für Fischerei in Starnberg kein besonderer Grund zur Aufregung. Die Biologen der Schweizerischen Vogelwarte kommen zu ähnlichen Ergebnissen:

 

Kormorane ernähren sich in erster Linie von den stark vertretenen Arten wie Brachse, Rotfeder oder Rotauge, welche in der Fischerei und Fischereiwirtschaft keine allzu große Rolle spielen.

Eine Ausnahme machen die Äschen, die in den Flüssen bisweilen um bis zu 36 Prozent von den fischenden Kormoranen dezimiert werden. Außerdem wurden in Schweizer Seen etwa 2 Prozent der Aale, 3 Prozent der Hechte und 2 Prozent der Forellen gefressen. Allerdings kann in Flüssen der Anteil weggefangener Forellen auf 15 Prozent ansteigen.

 

In der Diskussion um die Kormorane wird meist die eigentliche Ursache für deren Zunahme unterschlagen. Das Populationswachstum ist nämlich nicht alleine auf die Schutzmaßnahmen zurückzuführen; die haben schließlich nur zur Erholung der Bestände geführt. Vielmehr ist nach Meinung der Wissenschaftler das verbesserte Nahrungsangebot ausschlaggebend, das durch den übermäßigen Eintrag von Nährstoffen infolge der bekannten Umweltbelastungen zustande kommt.

 

Es ist also die drastische Vermehrung der Fische, welche ganz im Sinne natürlicher Wirkzusammenhänge eben auch die Kormorane sich vermehren lässt. So gesehen stellen die Kormorane - zusammen mit anderen Fischfressern - ein wichtiges Regulativ dar, um die unnatürlich angewachsenen Fischbestände wieder auf ein Ausmaß zurückzuführen, das dem Prinzip des dynamischen Gleichgewichts der Natur entspricht. Diesem Prinzip würde dann auch entsprechen, dass sich die Kormoranbestände ebenfalls auf einen gesunden Bestand - auf niedrigerem Niveau als heute - einpendeln werden. In welcher Phase dieser Entwicklung man die Wechselbeziehungen auch betrachtet: immer tragen Kormorane - wie viele andere Glieder des Nahrungsnetzes - zur Verbesserung der Wasserqualität bei.
Solange aber Gewässer von Anglern und Sportfischern künstlich mit Fischen besetzt werden, muss man sich nicht wundern, wenn die Kormoran-Bestände zunehmen und das biologische Gleichgewicht ins Wanken gerät.
Blind für biologische Zusammenhänge ist man außerdem, wenn man den Abschuss der Tiere oder auch nur das Vertreiben fordert. Die Verluste durch Töten werden durch eine höhere Nachkommenzahl ausgeglichen. Andererseits ist zu bedenken, dass man durch das Vertreiben zwar lokal die Bestände dezimiert, sie aber dafür anderswo erhöht. Das Vergrämen verursacht zudem durch das vermehrte Hin- und Herfliegen nur einen größeren Energiebedarf, was einen größeren Nahrungskonsum nach sich zieht, genau das also, was man vermeiden will.
Es ist richtig, dass an fischereiwirtschaftlich intensiv genutzten Teichen die Bestandsdezimierung durch Kormorane auffällig sein kann, vor allem wenn nur eine Fischart im Angebot steht und diese im Überbesatz. Vielleicht wäre das Einkalkulieren der Verluste ein Ansatz, um auf Bekämpfungsmaßnahmen gegen den „Fischräuber“ zu verzichten. Auch die Rückkehr zu einer naturnahen Bewirtschaftung unserer Gewässer wäre ein richtiger Weg. Schließlich war der Kormoran zuerst da und der Mensch ist als Konkurrent dazugekommen, - nicht umgekehrt!

Alsdorf, im März 2003